Dienstag, 26. März 2013

Jan Wellem


Ich gelobe Besserung. Zwischen Bonn und Köln beheimatet, gebe ich zu, dass mich jedes Mal ein beklemmendes Gefühl ereilt, wenn ich mich nach Düsseldorf bewege. Zu unterschiedlich sind die Städte in Struktur und Geschichte. Und es lässt sich das Gefühl nicht verleugnen, dass speziell den Kölnern zum Ausgang des Mittelalters ein neues Machtgebilde vor die Nase gesetzt worden ist. Dies hat für Unbehangen gesorgt und die verwurzelten Machtkonstellationen neu aufgemischt.

Zu leugnen, dass Düsseldorf zum Rheinland gehört, wäre sträflich. Ich habe mir Jan Wellem ausgesucht, um das geistige Areal Düsseldorfs zu betreten. Sein Denkmal in der Altstadt vor Augen, sehe ich ihn als Reiter auf einem Pferd mit seiner langen Lockenperücke. Hoch zu Roß, mag er mir als Feldherr vorkommen. Doch in diese preußische Kategorie eines Clausewitz, Scharnhorst oder Moltke ist er nicht einzusortieren. Herzog Johann Wilhelm II., Kurfürst von der Pfalz, Herzog von Jülich-Berg, Pfalzgraf von Neuburg, betrieb zwar eine Machtpolitik mit hehren Zielen. Doch Schlachtfeldern waren nicht sein Ding.

Die Puzzlestücke seines Fürstentums hatte ihm sein Vater Philipp Wilhelm übertragen. 1658 in Düsseldorf geboren, war er Rheinländer mit Leib und Seele. Über seine Leutseligkeit und Freigiebigkeit haben seine Zeitgenossen berichtet. Bereits sein Großvater Wolfgang Wilhelm hatte die Herzogtümer Kleve, Jülich und Berg gegen die Ansprüche der Herzöge aus Brandenburg behauptet. Nach dem Frieden von Rijswijk (1697), der den Pfälzer Erbfolgekrieg beendete, erweiterte er seinen Machtbereich um die Pfalz und das Herzogtum Neuburg an der Donau, das ihm als Erbe seines Vaters zufiel. Während andere Fürsten Ruhm und Macht auf Schlachtfeldern erlangten, wollte er Macht und Einfluss über Beziehungen, Netzwerke, Heiraten und Diplomatie erweitern. Er selbst heiratete 1678 die Wiener Erzherzogin Maria Anna Josepha und baute dadurch die Verbindung mit Habsburg auf. Er hatte insgesamt 16 Geschwister, die quer durch Europa verheiratet waren, von Portugal über Spanien bis nach Italien und Polen. Er wollte König werden. Die Position des Königs von Preußen schnappte ihm 1701 ein brandenburgischer Kurfürst weg. Eine Zeitlang war er als Thronfolger für die spanische Niederlande im Gespräch. Auch hier wurde der Thron anderweitig besetzt. Dann sah ein Friedensplan nach dem Spanischen Erbfolgekrieg vor, für ihn ein Königreich aus Sizilien, Sardinien und den Balearen zusammenzuwürfeln. Daraus wurde erneut nichts. Schließlich wurden die Angebote immer merkwürdiger. 1695 sollte er anscheinend im Kaukasus mit der Königskrone belohnt werden, wenn er die Perser vertreiben würde.

So ergab es sich, dass er das rheinische Terrain kaum verließ. Ab und an suchte er seine Sommerresidenz in Schwetzingen auf. Nach dem Frieden von Rijswijk hatte er die Pfälzische Kurfürstenwürde erlangt und hätte eigentlich auf dem Heidelberger Schloss residieren müssen. Doch das Heidelberger Schloss war zerstört, nachdem französischen Truppen in der Pfalz Öde und Verwüstung hinterlassen hatten. Nicht nur Heidelberg, auch die Festungsstädte Mannheim oder Landau waren dem Erdboden gleich gemacht worden.

Sowohl der Dreißigjährige Krieg wie der Pfälzische Erbfolgekrieg hatten Düsseldorf in vergleichsweise geringem Umfang zerstört. Daher richtete sich Jan Wellem komfortabel in Düsseldorf ein. Jan Wellem hatte bei einer Reise durch Frankreich Ludwig XIV. persönlich kennen gelernt. Nicht nur in Versailles, auch andere Fürsten bauten in der Zeit des Barock prunkvolle und verschwenderische Schlösser. Jan Wellem ließ Baupläne für ein Schloss in Düsseldorf entwerfen, die die menschlichen Maßstäbe sprengten  – wie bei anderen Fürsten im Zeitalter des Absolutismus. Der Haken war: in Düsseldorf gab es bereits ein Schloss. Ähnlich wie bei all den Visionen von Königskrönungen, wurde auch aus dem Schloss nichts: abreißen wäre unsinnig gewesen, ein zweites Schloss neben dem vorhandenen Schloss genauso, daher blieb es bei einem Umbau.

Was hingegen die Zeit überdauert hat und wofür Jan Wellem bis heute die Düsseldorfer Bürger dankbar sind, das ist sein Engagement für die Kunst. Seine Baupläne waren so dimensioniert, dass er nach der Begegnung mit Ludwig XIV. ein Paris am Rhein schaffen wollte. Weil auch dies eine Luftnummer war, entstand nicht nur ein neues Theater und eine neue Oper, sondern auch eine Kunstakademie. Er holte niederländische und flämische Maler nach Düsseldorf, die den naturalistischen Stil ihrer Malerei dort lehrten. Später kaufte er Gemälde an. Darunter waren berühmte Gemälde berühmter Maler – vor allem aus Antwerpen. Es waren 46 Gemälde von Rubens und mehrere Gemälde von Brueghel und van Dyk. Die nördlichen Niederlande waren mit zehn Gemälden von Rembrandt vertreten. Aus Italien stammten Gemälde von Caravaggio, Michelangelo, Raffael und del Sarto, aus Deutschland Dürer. Neben dem Schloss wurde eigens eine Gemäldegalerie für die insgesamt 343 Gemälde gebaut. Düsseldorf verlor diese Gemäldesammlung durch widrige politische Umstände Anfang des 19. Jahrhundert an die alte Pinakothek in München.

Die Bedeutung von Düsseldorf als Kunstmetropole mit einer eigenen Kunstakademie ist bis heute erhalten geblieben. Auch der Name von Jan Wellem ist bis heute ganz eng mit der Stadt Düsseldorf verbunden.

Sein Reiterdenkmal hatte er übrigens bereits zu Lebzeiten in Auftrag gegeben. Den Auftrag hatte sein Hofbildhauer Gabriel Gruppello erhalten. Jan Wellem starb 1716. 1711 begann Gruppello das Denkmal, wobei die ursprüngliche Planung, auf dem Denkmal Jan Wellem mit seinem Vater darzustellen, aufgegeben wurde. 1714 fertig gestellt, ist es Gruppello gelungen, die Bürgernähe Jan Wellems darzustellen sowie Verehrung und Bewunderung über seinen Tod hinaus.

9 Kommentare:

  1. Vielen lieben Dank wieder für die viele Information und diesen Post. So ist mir wieder ein Stück Geschichte aus dem Rheinland näher gebracht worden.

    Herzliche Grüsse
    Nova

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  2. Ja, ja - der Streit zwischen Köln und Düsseldorf. Den gab es immer und es wird auch so bleiben.
    Aber ich danke dir, dass du mir die Geschicht von Jan Wellem noch einmal nahegebracht hast.
    Ich hatte Vieles vergessen.
    Einen schönen Abend wünscht
    Irmi

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    1. Hallo Irmi,

      "der Streit zwischen Köln und Düsseldorf. Den gab es immer und es wird auch so bleiben"

      Damit wirst Du wahrscheinlich Recht haben, aber ist es nicht manchmal das Salz in der Suppe? ;-)

      Viele Grüße
      Nachtfalke

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  3. Hallo Dieter
    Danke für diesen sehr interessanten Post. Danke auch für Deinen lieben Kommentar auf meinem Blog.
    Ich wünsche Dir frohe Osterfeiertage und grüsse Dich herzlichst Yvonne

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  4. *lol* das ist ja quasi Folter, wenn ich hier was über "Düsseldorf" lesen muss ;-)
    Aber informativ war es wie immer trotzdem.

    Mist, schulde dir immer noch eine Terminantwort *umfall*

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    1. Hallo Frau Fröhlich,

      warum Folter wenn es informativ war?

      VG Nachtfalke

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  5. Hallo Dieter,

    Du brauchst kein beklemmendes Gefühl haben, wenn Du Dich mal Richtung Düsseldorf bewegst. Bewege ich mich in den Kölner Raum, habe ich auch keine Berührungsangst ;-)

    Dein Bericht ist gut recherchiert.

    Gruß Nachtfalke

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  6. Jan Wellem kenne ich auch nur als einen Kunstmätzen, vor 2 Jahren hab ich mal eine sehr interessante Ausstellung gesehen, von Bildern, die er gesammelt oder finanziert hat, da waren so viele bekannte Künstler dabei, wie Du schon schreibst, damalige (und heutige) Weltklasse.

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