Dienstag, 30. Oktober 2012

das Haus vom Lehrer Welsch

In die Tiefen der Mathematik gelangt man nicht über Euklid, Aristoteles, Pythagoras, den Arabern, Euler, Lagrange oder Gaus. Schon Aristoteles hatte sich an der Mathematik die Zähne ausgebissen: die Dinge sind mit ihrer Gestalt unterschiedlich, also kann Eins nicht gleich Eins sein. Wenn man eine Herde von zwanzig Ziegen zusammenzählen will, kann man überhaupt 1+1 rechnen ? Schließlich stehen weiße, gefleckte, bärtige, schwarze, gehörnte Ziegen usw. auf der Weide. Genauso schwer tat sich der französische Mathematiker und Philosoph Descartes, ein richtiges Verständnis der Mathematik herzustellen: bevor man mit dem Zählen beginnen kann, müssen Definitionen und Prinzipen geklärt werden, was überhaupt zu zählen ist. Voller Skepsis fasste er zusammen: alles, was lediglich wahrscheinlich ist, ist wahrscheinlich falsch.


Die Wurzeln des allumfassenden Gesetzes in der Mathematik findet man nicht bei den großen Mathematikern, sondern in Grafschaft-Arzdorf. Und zwar in einem hübsch heraus geputzten Fachwerkhaus mit rotem Gebälk. Von Wachtberg aus kommend, neigt sich die Straße eine Senke hinab. Hinter Apfelbäumen, die den Berg hinab fallen, taucht linkerhand der Pferdehof Welsch auf. Hinter einer sanften Kurve steht das Geburtshaus des Lehrers Welsch, zu dessen Lied alljährlich zu Karnevalszeiten kräftig geschunkelt, gesungen und getanzt wird.

Aristoteles wäre sicher vor Neid erblasst, denn der Lehrer Welsch war tausendmal schlauer als sämtliche Mathematiker zusammen und hat den finalen Beweis in der Mathematik erbracht:

0 + 0 + 0 = 0

Wer will diese Berechnung widerlegen ?

Heinrich Welsch wurde 1848 in diesem Haus in der Grafschaft südwestlich von Bonn geboren. Am königlich-preußischen Lehrerseminar in Brühl wurde er zum Lehrer ausgebildet. 1877 wurde er in den preußischen Schuldienst in Köln übernommen.

0 + 0 + 0 = 0 (oder „Dreimol Null es Null bliev Null“), damit schuf Lehrer Welsch seine eigene Sprache, um seine Schüler – entsprechend ihrem Bildungsniveau - zu unterrichten. Die Schule, an der er unterrichtete, lag im Stadtteil Kalk, der während der Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts boomte. Zwischen den Fabriken in Köln-Kalk lernte er Armut, Proletarisierung, miserable Arbeitsbedingungen, katastrophale Wohnbedingungen und insbesondere den verwahrlosten Zustand von Kindern in der Schule kennen.

1905 gründete er die erste Hilfsschule. Er wurde zum Rektor, er kümmerte sich um seine Schüler und deren soziale Situation. In den Folgejahren wurden in den Arbeitervierteln Kölns weitere Hilfsschulen gegründet.

Dass der Lehrer Welsch unsterblich wurde und Eingang in den Kölner Karneval fand, hat er einem Zufall zu verdanken. Die drei „Laachduuve“ (Willi Herkenrath, Hermann Kläser und Heinz Jung) wollten in der Karnevalssession 1937/38 – der Lehrer Welsch war 1935 übrigens verstorben – ein Karnevalslied über einen Lehrer schreiben, der aus einem typisch Kölner Stadtviertel stammte. Bei der Komposition des Liedes kam ihnen der Einfall, dass sich „Welsch“ auf „Kölsch“ reimt. Man mag vielleicht kurz nachdenken, ob dies tatsächlich so ist – aber der Kölner nimmt vieles nicht so genau.

Geschummelt wurde auch beim Titel des Karnevalsliedes „En d’r Kayjass Nummer Null“. Bis 1917 war er Rektor an der Hilfsschule in Köln-Kalk gewesen. Die Kaygasse liegt aber linkrheinisch, auf der gegenüberliegenden Rheinseite gar nicht so weit weg vom Dom. Dort lag eine weitere Hilfsschule, und die drei Laachduuve rechneten dies der Einfachheit halber seinem Verdienst zu.

Bis heute ist das Lied vom Lehrer Welsch eines der populärsten Karnevalslieder:

En d'r Kaygaß Nummer Null steiht en steinahl Schull
Und do han mer drin studeet.
Unsre Lehrer dä heeß Welsch
Sproch en unverfälschtes Kölsch,
un do han mer bei jeleert.
Un mer han off hin und her üvverlaht,
un han vür de Lehrer jesa - a - aht

Nä nä dat
wesse mer nit mih, janz bestemp nit mih,
denn dat hammer nit studeert.
Denn mer woren beim Lehrer Welsch en d'r Klaß
un do hammer su jet nit jeleert.
Dreimol Null es Null bliev Null,
denn mer woren en d'r Kaygaß en d'r Schu - u - ull
Dreimol Null es Null bliev Null
denn mer woren en d'r Kaygaß en d'r Schull.

Es besteht kein Zweifel: die Unumstößlichkeit dieser Hypothese ist nicht von der Hand zu weisen:

0 + 0 + 0 = 0

Vielleicht findet der Lehrer Welsch irgendwann Eingang in eine „Hall of Fame“ der größten Mathematiker.

6 Kommentare:

  1. Ich war zwar nicht bei Lehrer Welcsch inne Klasse, aber der Name ist ein Begriff.
    Danke für die Infos, sehr interessant mehr zu erfahren.

    Liebe Dienstagsgrüße
    Angelika

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  2. Hallo Dieter
    Vielen Dank für diesen interessanten Post! Danke auch für Deinen lieben Kommentar auf meinem Blog. Ich wünsche Dir eine glückliche Restwoche und grüsse Dich herzlichst Yvonne

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  3. das ist eine richtig nette Geschichte :-)
    lieber Gruß von Heidi-Trollspecht

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  4. Das war ja ein toller Ausflug in die Welt der Mathematik und das Zählen ist in der Tat so eine Sache, wenn man Äpfel mit Birnen vergleichen will.
    Ich glaube, so mancher Schüler ist schon an den Thesen der von dir genannten Gelehrten verzweifelt. *g*

    Liebe Grüße und viel Spaß weiterhin beim Bloggen auf deinem neuen Blog. :-)

    Christa

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  5. Dieter, wenn möglich, stell bitte den Abfragecode auch hier ab, ist doch so schwer zu lesen. :(

    LG Christa

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  6. mit mathe kannste mich jagen;-))
    aber spannend erzählt!!
    LG

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