Dienstag, 12. Juni 2012

mit dem Rennrad nach Bad Münstereifel

Der Wind wehte wie verrückt. Hinter Meckenheim hatte sich freies Feld geöffnet, und Baumreihen oder Strauchwerk am Straßenrand boten keinen Schutz. Die ansteigenden Eifelhänge näherten sich, doch der Wind pustete aus Leibeskräften. Ich musste mächtig treten. Den Berg hinauf, war es endlich soweit: ich hatte die ersten Waldstücke erreicht, und wie ein Schutzschild wehrte der Wald den böigen Wind ab, der gezähmt zu einem seichten Lüftchen abebbte. Anstatt dessen zog die Steigung an, und die beginnenden Eifel-Höhen forderten meine Kräfte heraus. Meter für Meter arbeitete ich mich bergaufwärts, bis ich wieder eine außergewöhnliche Begegnung mit dem Wind hatte, denn es öffnete sich eine grasbewachsene Freifläche, über der der Wind den Berghang hinab fegen konnte.  

Das war niederschmetternd. Der Anstieg war mächtig, kombiniert mit einem Wind, der mich wegzufegen drohte. Ich stand kurz vor der Kapitulation. Der schlimmste denkbare Fall, nämlich absteigen und schieben, war greifbar nahe. Irgendwie hielt ich mich noch auf dem Rennrad, und irgendwie schaffte ich weitere Zentimeter vorwärts. Bis der Wind wie weggeblasen war, denn das nächste Waldstück schützte mich.

Hilberath, in der ersten Ortschaft auf der Eifelhöhe flachte der mühsame Anstieg ab. Häuser aus sorgsam aufeinander geschichteten Bruchsteinen zeigten an, dass ich mich in der Eifel befand. Hilberath, das war ein kleiner Ort mit Blick auf die Details. Der Schacht eines Brunnens umgab sich mit einem Bau, dessen Stil wie eine Hundehütte aussah. Römische Zahlen signalisierten über einem roten Eisengitter, dass der Brunnen in den 70er Jahren restauriert worden war. Wieviele Krieger den Heldentod in den beiden Weltkriegen starben, zählten Marmorplatten zwischen wuchtigen Säulen unter einem steinernen Kreuz auf.

Heute war Bad Münstereifel mein Ziel und auf dem Höhenzug brach ich nicht ab wie vor mehreren Wochen, sondern ich folgte ihm weiter. Schnell wurde ich durch gewirbelt: ich schoß ein Tal hinunter, dem ein ausdauernder Anstieg folgte; Felder öffneten sich, der Wind wirbelte in mein Gesicht, ich tauchte in den Wald ein, und plötzlich war ich mit mir und der Ruhe alleine, abgesehen von einzelnen Autofahrern, die sich hupend ihren Weg bahnten.

Bis ich Bad Münstereifel erreichte, zehrte die letzte lange Strecke an meinen Nerven. Immer geradeaus zog sie sich wie ein Strich in die Länge, und ich sah die Buckel ansteigen, die nur oben und kaum nach unten wiesen. Bis zu einer Kurve, in der ich auf eine erlösende Abfahrt hoffte. Doch diese kam nicht: anstatt dessen wieder ein solcher langer Strich, der mehr den Berg rauf wie runter wies. Das Spielchen wiederholte sich schier endlos, inmitten von Wald, nichts als Wald, pure Idylle, ungestört, hätte man meinen können, doch Berge, Gegenwind und Einsamkeit steckten massiv in meinen Knochen. 


 Nach 40 Kilometern und einer wunderschönen Abfahrt war es schließlich so weit: ich hatte Bad Münstereifel durch das Stadttor erreicht, und durch die wunderschöne Kleinstadt plätscherte die Erft. Lokale waren an der Erft so zahlreich, so dass ich mir mitten in diesem Fachwerk-Idyll aussuchen konnte, wo ich etwas leckeres Kühles trinken konnte. Diesmal vermisste ich Niederländer, denen ich sonst stets in Bad Münstereifel begegnet war. Anstatt dessen torkelte ein Haufen Fußball-verrückter Frauen an mir vorbei, der Haufen breitete sich über mehrere Tische aus, schwenkte kleine Fahnen. Der dicke Kopf einer Frau wurde mit einer Deutschland-Girlande geschmückt. So deutlich und entschlossen, wie sie miteinander redeten und sich anfeuerten, waren sie sich wohl sicher, dass Deutschland am Samstag gegen Portugal gewinnen würde.

Zwei große Bitburger, 20 Minuten Pause, dann ging es weiter. Auch diesmal genoß ich den gut ausgeschilderten Radweg die Erft entlang. Man kann sicherlich nicht sämtliche Dörfer miteinander vergleichen, aber Iversheim, den nächsten Ort, habe ich als eine der schönsten Dörfer in Erinnerung, die ich je gesehen habe. Da passt einfach alles zusammen: die Ruhe in den Straßen, die Ungestörtheit, das gepflegte Fachwerk, auch so bunt und unterschiedlich, wie die Fachwerkbalken gestaltet sind. Mitten im Ort der Prümer Hof, ein Anwesen, das ursprünglich aus dem 12. Jahrhundert stammt.

Hammerwerk Erft, eine Fabrik erhob sich aus dem Ufer der Erft. Selbst diese Fabrik strahlte eine solche Ruhe aus, dass ich meinte, in diesem Stück Voreifel wäre die Zeit stehen geblieben.

Ein letzter, kraftraubender Anstieg nach Kirchheim, und danach konnte ich loslegen: erst die Abfahrt, und dann - ab Flamersheim - wehte aufs Neue dieser wie wild entfesselte Wind, der mich bis Bad Münstereifel zur Verzweiflung gebracht hatte.Diesmal aber in die richtige Richtung, nämlich in meinen Rücken. Bis zu Hause war freies Feld, und ich brauchte mein Rennrad nur noch rollen zu lassen.

Die restlichen 50 Kilometer fuhr ich bis zu Hause durch, an einem Stück. Das war durchaus eine große Hausnummer, die ich bis zu Hause geschafft hatte: 90 Kilometer, eine einzige Pause, die reine Fahrzeit betrug etwa 4 Stunden 15 Minuten. Durchschnittsgeschwindigkeit 21 km/h. Zu Hause stellte ich fest, dass ich in Bad Münstereifel oder zwischendurch mindestens ein Bitburger zu wenig getrunken hatte. Denn ich hatte einen solchen Flüssigkeitsverlust, dass der Durst mich peinigte. Ich hätte ganze Fässer leer trinken können. Ungefähr bis zum nächsten Tag dauerte es, bis sich mein Wasserhaushalt im Körper wieder reguliert hatte.

Sonst war ich schnell wieder topfit.


4 Kommentare:

  1. meine Güte Dieter ... wenn ich deine Beschreibung lese trete ich in Gedanken richtig fest in die Pedale ;-)
    dein Text ist wieder richtig voller Leben und schön zu lesen.
    lieber Gruß von Heidi-Trollspecht

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  2. Ich bin wie Heidi jetzt auch tüchtig mitgestrampelt. Oh je, ich glaube, morgen habe ich einen richtigen Muskelkater. Dein Text war wieder klasse zu lesen, Dieter.
    Ich glaube, ich muss jetzt nach dem 2. Bier eine Siesta machen. *g*

    LG Christa

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  3. Ein Mann im Kampf gegen die Elemente - siegreich daraus hervorgegangen! Klingt heftig, und das kühle Blonde hast du dir deutlich verdient. Danach ist man stolz auf sich, gell Dieter?

    Ich kenn das Gestrampel ja auch, allerdings nur im Flachland, durch Nordholland eben. Dafür mit PERMANENTEM Gegenwind. Kennst du den Afsluitdijk? Falls nicht, hier sind Bilder dazu: https://www.google.at/search?q=afsluitdijk&hl=de&client=firefox&hs=odw&rls=com.yahoo:de:official&prmd=imvns&tbm=isch&tbo=u&source=univ&sa=X&ei=S0HaT-vAB4_BswbOmpV7&ved=0CGYQsAQ&biw=1280&bih=838

    Das waren damals 32 endlose Kilometer Gegenwind - und kaum kamen wir im nördlichsten Zipfel an, drehte der Wind und wir hatten auch auf der Weiterfahrt ...- na genau: Gegenwind...

    Hej, und die Fußballfrauen hatten Recht! ;o)
    ALles Liebe, Traude

    PS: Zum Thema Bloggertreffen: Ich find's auch gut, die virtuelle Ebene zumindest vorübergehend zu verlassen. In Österreich tut sich bislang in dieser Richtung noch gar nicht so viel. Es kommt nur zustande, weil eine meiner Blogfreundinnen meinte, da stellen wir jetzt mal was auf die Beine. Wird klein, aber bestimmt fein. In Deutschland tut sich da viel häufiger was, ev.auch mal in einer Gegend, die für dich in Frage kommt. Und wenn's dir zu lange dauert, kannst du ja durchaus auch selbst eines initiieren... :o)

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  4. fast wärst du bei uns vorbei geradelt :), den Weg nach Bad Münstereifel kenne ich nur zu gut, das ist eine wunderschöne Tour

    Liebe Grüße Arti

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