Mittwoch, 23. Mai 2012

mit dem Rennrad über Brühl und Zülpich nach Düren

Unser Treffpunkt war – bei näherer Betrachtung – schlecht ausgesucht. Am Schloss Augustusburg in Brühl angekommen, stellte ich fest, dass die Anlage riesig war – nicht umsonst zählte sie zum Weltkulturerbe der UNESCO. An der einen Seite war der Haupteingang, wo sich Grüppchen zusammenfanden, um an einer Führung teilzunehmen. Leer und auf wochenendlichen Besucherandrang vorbereitet, dösten die Parkplätze an der Front des Schlosses vor sich hin. An der Rückseite des Schlosses ging es feierlich zu – das Schloss war Kulisse für eine Hochzeit und Braut und Bräutigam ließen sich vor einem Torbogen fotografieren. Im Schlossgarten hinter dem Schloss konnte man sich verlaufen – wenn ich alle Ecken dieser Gartenbaukunst hätte erkunden wollen. Dies war also unser Treffpunkt. Haupteingang ? Auf den Parkplätzen ? An der Rückseite ? Im Schlossgarten ?

Es war eine Première in diesem Jahr. Nicht alleine mit dem Rennrad unterwegs, sondern zu zweit. Mein Fahrradkumpel arbeitete in Köln, und von der Arbeit aus kommend, hatten wir uns in der Mitte in Brühl verabredet. Da er sich kein bisschen in Brühl auskannte, hatte ich einen möglichst idiotensicheren Treffpunkt benannt, der weitläufig ausgeschildert war: Schloss Augustusburg.

Eine zeitlang musste ich warten, dann kam er über die Parkplätze heran geradelt. Zuerst erblickte ich sein flammneues STEVENS-Rennrad, dessen weißer Rahmen noch unbefleckt und ohne nennenswerte Gebrauchsspuren war. Ihn erkannte ich sofort wieder, trotz Helm und getönter Fahrradbrille. Nachdem wir uns begrüßt hatten, steckten wir unsere Strecke ab: Richtung B265, Erftstadt, Zülpich, Nideggen, Rurtal, am Bahnhof in Düren sollten sich unsere Wege trennen – er in Richtung Aachen und ich in Richtung Köln.

Gleich an den ersten Hügeln, die sich am Stadtrand von Brühl formierten, sollte ich zu spüren bekommen, dass mein Fahrradkumpel die Lunge eines Marathonläufers hatte. Bis vor zwei Jahren war er regelmäßig Marathon gelaufen, dann hatten sich seine Knie beschwert und er war aufs Rennradfahren umgestiegen. Ungebremst, ohne nennenswert zu verlangsamen, schob sich sein STEVENS-Rennrad den Berg hoch. Ich war nicht so geübt, und ich musste mich ein Stück abquälen, um ihn wieder einzuholen, bis wir gemeinsam weiterfuhren.

Die B265, die schnurgerade auf Erftstadt zustrebte, sollte voller Überraschungen stecken. Zuerst bemerkte ich nur zaghaft, wie mein Hinterrad den Boden berührte. Doch mit jeder Unebenheit – wovon der buckelige Radweg unter hervorquellenden Wurzeln reichlich zu bieten hatte – folgten Stöße auf die Felge, die intensiver wurden: mein Hinterrad war platt. Wir beide hatten keine Reserveschlauch mitgenommen – ich aus Geiz, weil ich nicht ausreichend Geld mithatte, wenn ich am Fahrradladen vorbeikam, und er aus Vergesslichkeit, denn er hatte seinen Reserveschlauch zu Hause liegen gelassen. Aufpumpen, weiterradeln, eine kurze Hoffnung, dass das Ventil nicht richtig zugedreht war, doch in Erftstadt-Lechenich war mein Hinterrad in Windeseile wieder platt. Bike-Reiter, größter Fahrradmarkt im Rhein-Erft-Kreis, den Weg dorthin hatten uns Ortsansässige erklärt.

Dort sollten wir einzigartiges erleben – ein negativer Höhepunkt in Sachen Kundenfreundlichkeit. Nachdem ich den ersehnten Fahrradschlauch gekauft hatte, machte ich mich sofort ans Werk. Fahrrad umdrehen, Radschrauben lösen, Hinterrad abnehmen, kaum eine Minute dauerte es, dass ein Mitarbeiter von Bike-Reiter mein Treiben begutachtete und mich bat, das Gelände zu verlassen. Anschließend verschwand der Miterbeiter wieder. Ich glaubte, mich verhört zu haben, legte mein Werkzeug zurecht und werkelte weiter an meinem Hinterrad herum. Einige Minuten später, kreuzte dasselbe Gesicht wieder auf und wies mich mit ernster Miene darauf hin, dass mein Rennrad entweder in der hauseigenen Werkstatt repariert werden sollte oder außerhalb des Firmengeländes. Murrend schleppte ich meine ganze Ausrüstung zu einer gegenüberliegenden Reifenwerkstatt, wo ich unbehelligt meine Reparatur beenden konnte. 

Ich habe daher eine Bitte an alle Blog-Leser: bitte Bike-Reiter in Erftstadt-Lechenich weiträumig meiden und alles, was mit Fahrrädern zu tun hat, irgendwo anders einkaufen !!!

Durch den platten Hinterreifen war wertvolle Zeit verstrichen, und endlich konnten wir unsere Radtour auf der B265 in Richtung Zülpich fortsetzen. Flach, wie auf einem Brett glitten die Felder daher. Das Getreide in der Zülpicher Börde entwickelte sich prächtig. Das gelbe Farbenmeer des Rapses war hier noch präsent: nicht verblüht, wie bei uns, schillerte das Gelb intensiv, es beugte sich im Wind, die Blüten funkelten wie tausend kleine Kristalle. Die Hänge in der Ferne kündeten die Eifel an. Mit einem Tempo – so ambitioniert wie bei „Rund um Köln“ – bretterten wir auf Zülpich zu.

Wir beschlossen, in Zülpich eine Pause einzulegen. Wir passierten ein Stadttor, das Stadtzentrum verlief sich in Einbahnstraßen und Abbiegungen und Verzweigungen, in denen wir mangels Beschilderung die Orientierung verloren. Meine Eindrücke von Zülpich, die in mir haften geblieben waren, bestätigten sich – eine inhomogene Fußgängerzone, Ladenlokale allenthalben, gemütliche Ecken waren Mangelware. Die historische Seite von Zülpich sollten wir erst beim Verlassen entdecken: einmal komplett um das Zentrum herum gekurvt, schloss die Stadtmauer in einer beeindruckenden Gänze das Zentrum ab. Dicht neben der Straße, erinnerte ein meterlanges Stück Abwasserkanal an die Römerstadt Zülpich, die einst "tolbiacum" geheißen hatte.

Zuvor hatten wir auf dem viereckigen Marktplatz, der dem Rathaus aus den roten Ziegelsteinen, dem Rathausturm und dem Arkadengang zugewandt war, unsere wohlverdiente Pause gemacht. Als wir auf die Uhr schauten, stellten wir fest, dass wir auf direktem Wege – ohne Nideggen und das Rurtal – nach Düren fahren mussten, um unseren Zug zu erreichen. Auch auf dem Markplatz waren wir der Geschichte Zülpichs begegnet – die Figur auf dem Marktbrunnen symbolisierte den fränkischen König Chlodwig, der im Jahr 496 die Schlacht von Zülpich gewann und mit seiner Taufe dem Rheinland das Christentum brachte.

Füssenich, Geich, Vettweiß, Jakobwüllesheim, fernab der Hauptstraßen führte uns ein ausgeschildertes Radwegnetz nach Düren. So wenig Autoverkehr, so viel Natur, der Blick über die Felder eröffnete immer neue Horizonte. In den Dörfern kamen wir uns teilweise vor wie am Ende der Welt, kaum Autos auf den Straßen, Gemäuer aus Schiefer in zarten Grautönen, ein Tante-Emma-Läden im Ortskern, in der einzigen Kneipe gegenüber der Kirche war kein Mensch.

Eine halbe Stunde Zeit verblieb uns am Bahnhof Düren, um miteinander zu plaudern und die 80 km lange Strecke Revue passieren zu lassen. Ein Jahr lang hatten wir uns nicht gesehen. Familienleben, Kinder, Job, Urlaub, Freizeit, Rennradfahren, Tourenplanung und vieles mehr. Das war schön zu zweit. Wollen wir wiederholen.

9 Kommentare:

  1. Da habt ihr eine schöne Runde gemacht.
    :D Ich habe Brühl noch NIE ohne Brautpaarfotoaktion erlebt.

    Grüße! N.

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  2. Es gibt bestimmte Orte, meistens eben, wenn solch großartige Gebäude wie Schlösser oder Burgen vorhanden sind, die man sehr selten ohne Brautpaar sieht. *g*
    Ist ja auch schön, in einem Schloss zu heiraten oder?

    Das war wieder eine tolle Tour, die du gemacht hast, Dieter und besonders wertvoll, da du einen lieben Freund, den du lange Zeit nicht gesehen hattest, mal wieder treffen konntest.

    Vielen Dank für all deine Tipps und guten Erklärungen. :-)

    LG Christa

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  3. Eine schöne Runde seid ihr da gefahren hab mal bei Google Maps nachgesehen nix für mich. Mache nur kleinere Radtouren am der Saale für neue Fotos.

    Gruß
    Noke

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  4. Da werden bei mir gleich Erinnerungen wach an eine Radtour mit meiner Freundin Brigitte durch Nordholland. Klingt nach einer interessanten Tour - und hat ofenbar trotz des platten Reifens Spaß gemacht.
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    Alles Liebe, Traude
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  5. Hallo Dieter,

    das nenne ich mal eine Radtour und das mit kleinen Hinternissen. Durch Deinen Bericht kann man es wirklich gut nachempfinden und ich werde nun nocheinmal auf die Karte schauen, inwieweit ich so eine Tour mit Freunden machen kann. Vielen Dank für den interessanten Bericht.

    Einen lieben Gruß von Senna

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  6. Hallo Dieter,

    Habe mit schmunzheln deinen Bericht gelesen. Bis auf den kundenunfreundlichen Fahradladen habt ihr eine tolle Tour hingelegt. In jüngeren Jahren war ich auch immer am Wochendende in dieser Region mit dem Rad unterwegs. Kenne mich da gut aus :)

    Vielen Dank übrigens für deinen Besuch auf meinem Blog.
    Ich lese mich später noch mal bei dir durch ...

    Gruß aus Köln
    Hans

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  7. ich bin ja nicht gerade eine Sportskanone ;-) aber deine Rennradberichte lesen sich immer wieder interessant!
    lieber Gruß von Heidi-Trollspecht

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  8. Danke für den TIP Dieter: Geiz ist nicht geil – macht nur blöd.... wie man sieht

    Dummheit wird im Radsport halt bestraft. Selten so gut gelacht, ohne Ersatzschlauch und Geld loszufahren…lol

    Super bekloppter Blog zum Totlachen – weiter so…..

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  9. Falls ich gelegentlich durch Erftstadt Lechenich mit dem Rad komme, werde ich den Laden auf jeden Fall meiden und meinen Laden in Euskirchen bevorzugen. Im Schloss Brühl war ich auch schon ewig nicht mehr, erinnere mich aber an ein superschönes Treppenhaus. Werde im Sommer mal wieder dort vorbeisehenGuter Tipp!

    LG Arti

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